Kliff Dwasieden
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“Wir drehen uns um, vom Meere aus in den Wald sehend - da steht vor uns Schloß Dwasieden! Ja, so muß Dornröschens Palast ausgesehen haben - umkränzt von dichtem Walde, still und geheimnisvoll, wie ein Gedicht zum Himmel steigend.“
(Autotypie aus: "Daheim dt. Familienblatt" 1895)
Das Schloss Dwasieden wurde 1873-1877 erbaut und galt seinerzeit als wertvollstes Gebäude Rügens (Abb. 1). Der Besitzer, Adolph von Hansemann, investierte damals 4 Millionen Reichsmark und importiere sämtliche Baumaterialien per Schiff. Extra dafür erbaute Schneisen wurden konstruiert, um die schwere Fracht das Steilufer empor zu transportieren. Damals hochrangige Persönlichkeiten, wie das deutsche Kaiserpaar oder Gerhart Hauptmann besuchten das neoklassizistische Schloss. Ab den 1930er Jahren wich die Rolle der Urlaubsresidenz und machte dem Nutzen als Offizierskasino Platz. 1948 wurde das Gebäude schließlich als Militäraltlast gesprengt.
(Biederstaedt, 2021)
Unter Geolog*innen ist Dwasieden als ein 800 m langer Kliffabschnitt (Abb. 2) der Halbinsel Jasmund auf Rügen zwischen Mukran und Sassnitz bekannt. Durch das vordringende Eis während des Letzten Glazialen Maximums (LGM) der Weichsel-Vereisung, kam es zur Bildung von Endmoränen, welche heute die Landschaft Jasmunds prägen (Gehrmann & Harding, 2018). Eiszeitliche Ablagerungen liegen auf der Schreibkreide, die mit 68 Millionen Jahren deutlich älter ist. Die eiszeitlichen Ablagerungen bestehen aus drei Lagen von Tills und dazwischen liegenden Einheiten aus Kies, Sand und Ton. Als Till werden unsortierte Ablagerungen aus einem Gletscher bezeichnet. Zusammen mit den kreidezeitlichen Ablagerungen wurden die älteren beiden Till-Lagen mit ihren dazwischen liegenden Sedimenten deformiert, also durch den Schub des Eises in große Schuppen und Falten zerlegt. Man spricht dabei von einer glazitektonischen Überprägung. Die jüngste Till-Lage wurde erst nach der Verformung über dem Gesamtkomplex abgelagert.
Für besonders Interessierte
Die parakonform, also parallel über der Schreibkreide abgelagerten eiszeitlichen Sedimente bestehen aus drei glazialen Tills (M1, M2, M3) und dazwischen liegenden Kiesen, Sanden und Tonen (I1, I2) (Pisarska-Jamroży et al., 2018), welche in Eisstauseen entstanden sind (glazilimnisch) oder durch Schmelzwasserflüsse des Eises (glazifluviatil) abgelagert wurden. Durch Lumineszenz-Datierungen (Methode zur absoluten Altersbestimmung) konnten die Ablagerungen des I1, M2, I2 und M3 dem Weichsel-Glazial zugeordnet werden (Pisarska-Jamroży et al., 2018).
Die älteste Ablagerung ist die Kreide. Der darüber folgende 1,5 m mächtige Till (M1) ist charakterisiert durch eine blau-graue Färbung und seinen Klastenreichtum. Durch makroskalige Untersuchungen konnte ein NE-Einfallen der Längsachse von kiesel- bis blockgroßen Klasten ausgemacht werden (Brumme, 2019). Die durch horizontal geschichteten Feinsand, Silt und Ton gekennzeichneten I1-Sedimente, beinhalten teilweise auch Kieslagen mit bis zu blockgroßen Klasten. Im Gegensatz zum M1-Till ist der M2-Till klastenarm. Nach Plonka et al. (2021) werden die darüber folgenden I2-Sedimente in fünf lithologische Einheiten (A-E) unterteilt (Abb. 3), welche dynamische und schnell wechselnde Ablagerungsverhältnisse widerspiegeln.
Einheit A setzt sich aus glazifluviatilen Sedimenten zusammen. Darauf folgen die 9,2 m mächtigen glazilakustrinen Sedimente der Einheit B. Die fein- bis mittelkörnigen, tafelförmig geschichteten Sande zeichnen sich durch ihre horizontale und gekreuzte Rippelschichtung aus. Überlagert werden diese von massiven Schluffschichten. Diese Reihenfolge wiederholt sich mit den Einheiten C und D. (Plonka et al., 2021). Einheit C lagert diskordant durch rinnenartige Strukturen auf den Sedimenten der Einheit B. Diese 1,4 m mächtige Einheit zeichnet sich durch mittel- bis grobkörnigen Sand aus, welcher horizontal bis schräggeschichtet ist. Kreideklasten sind reichlich enthalten. Die Basis der Einheit C bildet ein matrix-gestütztes Kiesbett (Plonka et al. 2021). Mit einer Mächtigkeit von 5,8 m folgt die Einheit D, welche sich durch rhythmisch geschichtete Sedimente mit wechselnden Lagen von Feinsand bis Ton charakterisieren lässt. Unregelmäßig zwischengeschaltet sind Lagen mit Tonklasten (Abb. 4, Plonka et al. 2021). Einheit E schließt die I2 Sequenz mit 8,6 m mächtigen alluvialen Sedimenten ab, auf denen diskordant der M3-Till folgt.
Pisarska-Jamroży et al. (2018) beschreiben innerhalb der sandigen Schluffe der I1-Einheit deformierte Schichten, welche SSDS enthalten (Fig. 5). SSDS (soft-sediment deformation structures) sind Deformationen in den fein- bis mittelkörnigen Ablagerungen, die durch seismisch bedingte Verflüssigungen entstanden sein können (Pisarska-Jamroży et al., 2019). Beispielsweise können diese Strukturen durch Erschütterungen bedingt durch Hebungsprozesse (isostatische Ausgleichsbewegungen) nach einer Vergletscherung (Neotektonik nach Gletscherrückschmelze) zustande kommen. Der Zusammenhang wurde schon von einigen Autoren beschrieben (z.B. Johnston, 1996; Muir-Wood, 2000; Kaufmann et al., 2005; Brandes et al., 2012; Hoffmann & Reicherter, 2012; van Loon & Pisarska-Jamrozy, 2014; van Loon et al., 2016). Aber dass auch ein Eisvorstoß Auslöser für Erdbeben sein kann, wie in Dwasieden angenommen, konnte noch nicht ausreichend bewiesen werden (Brandes et al., 2011; Pisarska-Jamrozy et al., 2018, 2019).
Während der Genese der südlichen Endmoräne (glazitektonischer Komplex) von Jasmund, kam es zur Bildung von sogenannten Rucksackbecken, die zeitglich mit Sediment aufgefüllt wurden (Müller & Obst, 2006; Kenzler et al., 2017; Pisarska-Jamroży et al., 2018; Kenzler & Hüneke, 2019). Rucksackbecken können zwischen zwei Schuppen bzw. zwischen zwei Falten (Hangendantiklinalen) entstehen (Pedersen, 2005; Pedersen & Boldreel, 2017; Plonka et al., 2021).
Der in Einheit A abgelagerte Kies ist Anzeiger für den Beginn der Rucksackbecken-Entwicklung (Abb. 6a). Der Übergang von Einheit B zu der durch stärkere Erosion begleiteten Einheit C deutet auf eine vollständige Entwässerung des Rucksackbeckens hin. Durch die Herabsetzung der Erosionsbasis (Abb. 6b) entstanden die in Einheit B vorkommenden rinnenartigen Strukturen, welche durch die Sedimente der Einheit C wieder aufgefüllt worden sind. Ein anschließend steigender Wasserpiegel des Sees führte zur Ablagerung der Einheit D. Sogenannte Dropstones (Abb. 4a) deuten auf einen See mit Eiskontakt und darin schwimmenden Eisbergen hin. Anschließend entstanden alluviale Sedimentfächer durch höhere Ablagerungsraten, rekonstruierbar aus der Einheit E (Abb. 6c).
Nachdem das Becken gefüllt war, folgte ein weiterer Eisvorstoß und lagerte diskordant den M3-Till ab (Abb. 6d, Plonka et al., 2021). Die im M3-Till enthaltenen Kreideklasten deuten darauf hin, dass die Kreide während des Eisvorstoßes freigelegen haben muss (angehobene Schuppen bzw. Falten) und dadurch der Erosion ausgesetzt war.
Schriftenverzeichnis
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