Der Große Stein von Altentreptow
Bitte beachten Sie: Sobald Sie sich das Video ansehen, werden Informationen darüber an Youtube/Google übermittelt. Weitere Informationen dazu finden Sie unter Google Privacy.
Der „Große Stein“ (Abb. 1) ist ein Findling am Klosterberg in Altentreptow. Zahlreiche Legenden ranken sich um seine Geschichte. In einer dieser Erzählungen ist der Stein Zeugnis eines Wettkampfes:
„An der Grenze zwischen Neubrandenburg und Treptow lebten einst zwei Riesen, ein Mecklenburger und ein Pommer. Eines Tages verabredeten sich die beiden zu einem Wettwerfen mit zwei großen Steinen. Der Mecklenburger sollte mit seinem Stein auf den Treptower Kirchturm zielen, der Pommer versuchte den Kirchturm der St. Marienkirche in Neubrandenburg zu treffen. Als es zum Werfen kam, verfehlten beide Riesen ihr Ziel. Der Stein des Pommerschen Riesen flog etwa eine halbe Meile über Neubrandenburg hinweg und ging nahe einer Papiermühle nieder. Er trägt den Namen „König der Jahrhunderte“. Der Mecklenburger traf besser als der Pommer: sein Stein verfehlte die Treptower Kirche nur knapp und schlug auf dem Klosterberg ein. Dort liegt er bis heute als der Große Stein von Altentreptow.“
In einer anderen Erzählung warf der Teufel höchstselbst den Stein auf den Kirchturm und verfehlte ihn ebenfalls. Heute weiß man, dass der Große Stein nicht an seinen Platz geworfen wurde, sondern Eisbewegung eine zentrale Rolle gespielt hat. Geologen bezeichnen Gesteine, die von Gletschern transportiert worden sind, als Geschiebe. In der Größenordnung des „Großen Steins“ spricht man auch von Findlingen. Mit einem Volumen von 166 m3 und einem Gewicht von 450 t ist der Große Stein der drittgrößte Findling in Norddeutschland. Der größte Findling ist der Buskam. Er ragt aus der Ostsee, etwa 300 m entfernt von der Küste Rügens. Sein Gesamtvolumen beträgt ca. 206 m3 (Obst 2004).
Der Große Stein ist auch unter dem Namen „Bismarck-Stein“ bekannt, denn den Findling zierte einst eine Inschrift zu Ehren des Politikers. Die Inschrift wurde am 1. April 1915 gemeißelt und 1959 wieder entfernt. Heute sind die Reste der Gravur praktisch verschwunden.
Im Mai 2021 rückte der Große Stein ins Rampenlicht, als nach jahrelanger Diskussion eine Anhebung des 450 t schweren Findlings initiiert wurde (Abb. 2). Seitdem kann man den Großen Stein in seiner vollen Pracht beschauen, vermessen und nun auch als digitales 3D-Modell bewundern.
Man ging lange davon aus, dass es sich bei dem Großen Stein um einen Hammer-Granit aus der Region Hammeren auf Bornholm handele. Hammer-Granit zeichnet sich durch einzelne dunkle Biotit-Aggregate und einen über die Korngrenzen hinweg verteilten Rotton aus (Wilske 2019). Bei genauerer Untersuchung des Großen Steins wird 2021 klar, dass diese Gesteinseigenschaften nicht auf ihn zutreffen. Der Granit ist sehr gleichkörnig und farblich homogen (Dr. Karsten Obst, LUNG M-V, mdl. Mittlg.). Damit ähnelt er eher dem Blekinge-Granit vom Typ Spinkamåla. Benannt ist der Granit nach seiner Herkunftsregion Blekinge im Südosten Schwedens (Abb. 3). Dort ist er vor etwa 1,4 bis 1,5 Milliarden Jahren bei der danopolonischen Gebirgsbildung entstanden, als Magma in der Erdkruste aufstieg und dort langsam erstarrte (Dr. Karsten Obst, LUNG M-V, mdl. Mittlg.).
Die Gletscher der jüngsten Vereisung in Norddeutschland (Weichsel-Glazial) lösten den Findling aus dem Gesteinsverband und transportierten ihn in die Richtung des 300 km entfernten Altentreptow (Abb. 4).
Für besonders Interessierte
Der besondere Vertreter des Granits vom Typ Spinkamåla wurde 1897 von Holst und Kjellström nach dem kleinen Ort Spinkamåla im Nordosten von Olofström benannt (Abb. 5). Der fein- bis mittelkörnige Granit (Abb. 6) ist in kleinen und größeren Massiven anzutreffen. Neben seiner Farbenvielfalt von grau bis fast rötlich, kann er auch als Ganggestein in älteren Granitoiden vorgefunden werden. (Wilske 2018)
Zandstra (1988) beschrieb den Spinkamåla-Granit als ein feinkörniges Gestein westlich und nordwestlich des Karlshamm-Granitmassivs. Im Unterschied zum Karlshamm-Granit besitzt der Spinkamåla-Granit keine Hornblenden. Charakteristisch sind auch die Gleichkörnigkeit und die unregelmäßigen Korngrenzen. Die Feldspäte sind meist als Karlsbader Zwillinge ausgebildet und im Durchschnitt 6-8 mm groß. Diese grauen oder rotbraunen Mikrokline sind meist deutlich eingeregelt und folgen klar erkennbaren Bahnen. Aber das Gestein tritt auch noch in einer richtungslos-körnigen Ausführung auf. Diese zeichnet sich durch Biotit-Armut und einer durch Quarz dominierten Matrix aus. Der Quarz kann grau bis blau erscheinen. Zusammenfassend ist der Spinkamåla-Granit also ein Quarz-Feldspat-Biotitgestein.
Es besteht eine genetische Verbindung zum Blekinge-Granit (Norin 1936). Die Region rund um Blekinge wird im Norden von den Småland-Graniten und den Porphyren des TIB (Transskandinavischer Magmatischer Gürtel) (Abb. 7, Krauss et al. 1996; Lindh et al. 2001), im Südwesten von den Gneisen des Ostsegmentes und im Westen durch die Protoginzone (System von Deformations- und Schwächezonen) begrenzt. Zwischen dem Karlskrona- und Eringsboda-Granit verläuft die Karlskrona Deformationszone (Altenburg 2011).
Vor etwa 1,77-1,75 Milliarden Jahren entstand das Grundgebirge der Blekinge-Region (Johansson et al. 2006). Durch spätere Hebungen erreichten die heutigen hochdeformierten Blekinge-Gesteine den Bereich neben den nahezu undeformierten Småland-Granitoiden. Wesentlich jünger mit einem Alter von etwa 1,45 Milliarden Jahren sind die Karlshamm- und Eringsboda-Granite, welche in die Region rund um Blekinge intrudierten (Altenburg 2011).
Durch das unauffällige Erscheinungsbild des Spinkamåla-Granits wird dieser selten gefunden, stellt aber ein Leitgeschiebe dar. Meist wird er mit dem Halen-Granit verglichen (Altenburg 2011). Da der Spinkamåla-Granit meist aber nur feinkörniger ist, wird zwischen den beiden nicht stark unterschieden. Man vermutet, dass die Spinkamåla-ähnlichen Gesteine derselben Magmenkammer entstammen, so auch der Eringsboda- und der Karlshamm-Granit, zwei große Massive, zwischen denen die Spinkamåla-Granite liegen (Altenburg 2011).
Schriftenverzeichnis
Altenburg, H.-J. (2011): Die Blekinge-Region – Gesteine im Anstehenden und als Geschiebe.Geozon Science Media 11: 19–28. doi.org/10.3285/ngb.11.04
Börner, A. (2012): Mecklenburgische Eiszeitlandschaft, Wiebelsheim: Quelle & Meyer.
Bräunlich, M. (2006): „https://www.kristallin.de/,“ www.kristallin.de/berg.htm. [Zugriff am 23 November 2021].
Buddenbohm, A. (2021): „Eiszeitroute - Infotafel,“ Altentreptow.
Callisen, K. (1932): „Beiträge zur Kenntnis des Granitgrundgebirges von Bornholm,“ C.A. Reitzels forlag, Copenhagen.
Ehlers, J., Grube, A., Stephan, H.-J., Wansa, S. (2011): „Pleistocene Glaciations of North Germany— New Results,“ in Developments in Quaternary Sciences, Elsevier, p. 149–162.
Johansson, Å., Bogdanova, S. & Čečeys, A. (2006): A revised geochronology for the Blekinge Province, southern Sweden. GFF 128(4): 282–302.
Krauss, M., Franz, K.-M., Hammer, J. & Lindh, A. (1996): Zur Geologie der Småland-BlekingeStörungszone (SE-Schweden). Zeitschrift für geologische Wissenschaften 24: 273–282.
Lindh, A., Krauss, M. & Franz, K.-M. (2001): Interpreting the Småland-Blekinge Deformation Zone from chemical and structural data. GFF 123: 181–191.
Meschede, M. (2018): Geologie Deutschlands. Ein prozessorientierter Ansatz. Springer-Spektrum, Berlin-Heidelberg.
Norin, R. (1936): Contributions to the geology of western Blekinge. Geologiska Föreningen i Stockholm Förhandlingar 58(4): 481–561.
Obst, K. (2004): „Veröffentlichung,“ Ostseezeitung, Bd. 219/52.
Wilske, H. (2019): „www.skan-kristallin.de,“ skankristallin.de/bornholm/gesteine/gesteinsdarstellung/hammer/hammertext.html. [Zugriff am 23 November 2021].
Zandstra, J. G. (1988): Noordelijke kristallijne gidsgesteenten. E. J. Brill, 339 pp.